Weltflüchtlingstag 2020

Peter Kaiser, Stellvertretender Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes eröffnet den Talk mit dem Hinweis, dass der Weltflüchtlingstag daran erinnern soll, dass 80 Millionen Menschen auf diesem Planeten auf der Flucht sind. „Und Covid wird dazu beitragen, dass es noch schlimmer wird.“

In zwei Präsentationen beleuchten Elisabeth Schmidt-Hiebler und Lisa Taschler gegenwärtige Bedingungen und Möglichkeiten positiver Beiträge von Seiten der Zivilgesellschaft.

Elisabeth Schmidt-Hieber arbeitet für SOS-Kinderdorf und berichtet über die Situation der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln und ihre Mitarbeit bei den Samos Volunteers. Berührender Beginn ihrer Präsentation mit dem Bild eines ertrunkenen Mädchens: „Wie viele mehr hat es wohl gegeben, die es nicht geschafft haben!?“ Elisabeth gibt dann einen Überblick über die prekäre aktuelle Lage in Griechenland: Hotspots auf 5 Inseln, ursprünglich konzipiert für 6.338 Menschen, wo aktuell insgesamt 34.512 Flüchtlinge leben (in Samos, für 648 ausgelegt, aktuell 6.710 Personen; die Menschen im Lager stammen mehrheitlich aus Syrien, weiters aus Afghanistan, DR Kongo und anderen). „Die extreme Überbelegung der Camps führt an deren Rand zu ‚informellen‘ Siedlungen, dem ‚Dschungel‘ – eine sehr besorgniserregende Entwicklung.“

Elisabeth lenkt den Blick auf die Menschen hinter den Zahlen: „Kinder, Eltern, Schüler_innen, Student_innen, Angestellte, Doktoranden, Wissenschaftler_innen, Handwerker_innen, Künstler_innen, Sportler_innen – Menschen wie du und ich“. Sie schildert die inzwischen ins Negative gekippte Stimmung der Einheimischen, die dadurch drohende Eskalation, den Verlust der Menschenwürde im Lager, die gefährliche und risikoreiche Situation der Kinder (mehr als 30% der Camp- und Dschungelbewohner sind Kinder), die Coronamaßnahmen, die einen Ausbruch inzwischen weitgehend verhindern konnten, und die positiven Bildungsangebote und Aktivitäten der Freiwilligen. Sie zeigt Bilder des großartigen Gemeinschaftszentrums „Alpha“ und verweist auf die Rolle der EU, die geltende Rechtslage und die aktuell geltenden Abkommen.

 

Lisa Taschler berichtet anschließend live in einer Direktschaltung aus dem Libanon über die Lage der dortigen Flüchtlinge. Die Steirerin ist als Delegierte des Roten Kreuzes vor Ort und gibt zunächst einen Überblick über den seit 2011 bestehenden Syrien-Konflikt: „Derzeit gibt es fast 7 Millionen syrische Flüchtlinge, 6 Millionen davon befinden sich in den Nachbarländern.“

Folge dieser Tatsache: Im Libanon leben – bei einer Einwohner_innenzahl von rund 6,5 Millionen Einwohner_innen derzeit 2 Millionen Flüchtlinge. „Das ist die weltweit höchste Flüchtlingszahl pro Kopf“, so Lisa Taschler.

Die Lage der Flüchtlinge hier ist prekär: Es gibt keine offiziellen Lager, 20% der Menschen müssen in informellen Zeltlagern leben, die Räumlichkeiten sind überfüllt, Unterkünfte entbehren jeder Infrastruktur wie Wasser, Strom, Sanitäranlagen oder Heizung. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Flüchtlinge unter der nationalen Armutsgrenze von gerade einmal 3,50 € pro Tag leben muss. Lisa Taschler: „Dabei muss man bedenken, dass auch 45% der libanesischen Bevölkerung unter dieser Armutsgrenze lebt.“

Das 1945 gegründete Lebanese Red Cross (LRC) ist Partner des Österreichischen Roten Kreuzes, und es ist die einzige humanitäre Organisation mit Zugang zu allen Landesteilen. Lisa verweist auf das Engagement des ÖRK im Libanon durch Geldleistungen und Maßnahmen im Bereich Wasser und Siedlungshygiene.

 

Die rund 20 Teilnehmer_innen dieses Crosstalks sind sehr beeindruckt durch die Tätigkeit von Elisabeth und  Lisa und geben ihrer Hochachtung vor ihrer Arbeit Ausdruck. Großes Lob für diese „wertvolle und wichtige Veranstaltung“ und rege Beteiligung an der anschließenden Diskussion und Dank für die Reflexionen.