Schläge auf die Hand waren normal . . .

Durra Shaiban und Ahmad Baker  berichten über ihre persönlichen Erfahrungen und Eindrücke vom Schulsystem in ihrer Heimat Syrien und den Unterschieden zum österreichischen Bildungssystem.

Am 7. Jänner fand im Rahmen einer Kooperation der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich und Gabriele Roth (Accord), sowie Markus Priller (Crosstalk) ein Online-Talk zum Thema „Schulsysteme in Syrien“ statt.

 

Shaiban ist in Damaskus geboren und zunächst dort zur Schule gegangen. Sie berichtet von ihrer persönlichen Erfahrung, einer allgemeinen Ausbildung, die unter hohem Druck und unter praktisch unverzichtbarer Beiziehung von Nachhilfeunterricht erfolgte, und speziellen, zusätzlichen islamisch-religiösen Fächern.

Ahmad Baker kommt aus Aleppo und hat in Syrien bis zur Universität den gesamten Bildungsweg durchlaufen. Das österreichische Schulsystem kennt er daher nur bedingt aus eigener Erfahrung. In der Volksschule gab es zwischen 40 und maximal 60 Schüler_innen, geturnt wurde bei schönem Wetter im Hof, ein Turnsaal existierte nicht. In der Pflichtschule gab es jeden Tag einen Morgenappell, die Nationalhymne wurde zweimal wöchentlich im Hof angestimmt. In der Mittelschule gibt es für bis zu 3 Klassen zuständige Klassenvorstände, die ihrerseits aber nicht unterrichten und nur für die Administration zuständig sind. Eine pädagogische Ausbildung für die Lehrkräfte ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Zur Aufrechterhaltung der Disziplin und „zur Erziehung“ konnten sogar Schläge auf die Hände und Fußsohlen verabreicht werden, was eigentlich vom Gesetz her verboten ist. Beschwerden gegen das System sind praktisch immer sinnlos, Elternabende- und Elternsprechtage finden nicht statt.

Für Ahmed ist die Matura in Syrien „der Alptraum jedes Schülers, für deren Vorbereitung bereits ab der 11. Klasse gestrebert werden musste. Der unglaublich dichte Lehrplan erfordert in den meisten Fällen die Unterstützung durch Nachhilfelehrer_innen.“ Es gibt übrigens keine Ganztagsschule.

Was die ausschließlich schriftlich erfolgende Matura so schwierig macht, ist der gewaltige Umfang und die Anforderung, aus diesem Umfang – beispielsweise in Biologie – wortwörtlich zu zitieren. Der bei der Matura erzielte Notendurchschnitt schlägt direkt auf die Möglichkeit durch, anschließend ein „höherwertiges“ Studium (zum Beispiel Medizin) beginnen zu können. Wer bereits in Syrien an der Universität studiert hat, darf übrigens ohne weitere Prüfungen in Österreich weiterstudieren. Ahmed, zusammenfassend: „Mir hat das syrische Bildungssystem trotz dem vorherrschenden Druck zu einem guten Anschluss in Österreich verholfen. Hier in Österreich imponieren mir die zahlreichen individuellen Möglichkeiten, das System der Lehrberufe und die Fördermöglichkeiten für praktisch jede Begabung. Kein Kind bleibt hier auf der Strecke.“

Durra Shaiban: „Vor dem Krieg haben Religion und Ethnien innerhalb der Ausbildung keine Rolle gespielt. Es wurden auch keine politischen Fragen gestellt, es gab keine Diskussion. In Österreich imponiert mir die Möglichkeit, nach der Matura einfach alles studieren zu können.“