Es wäre schön, wenn Eltern aus dem Irak mehr über die schulische Entwicklung ihrer Kinder in Österreich wüssten, . . .

 

. . . die Beherrschung der deutschen Sprache ist dafür eine wesentliche Voraussetzung.“ 

Botschafter Salman Al-Dulaimi

 

Am 14. Jänner fand in Kooperation der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich und Accord ein Talk zum Thema „Schulsysteme im Irak“ mit Botschafter Salman Al-Dulaimi statt. Salman diskutierte dabei mit Katherine Ranharter und Gabriele Roth von Accord.

Salman Al-Dulaimi berichtet, dass es zu seiner Schulzeit im Irak auch noch körperliche Züchtigung gegeben hat: „Das war damals Alltag, und wir Schüler waren das gewohnt.“

Katherine Ranharter: „Heute ist das allerdings verboten, wobei in Österreich das Lehrer_innen/ Schüler_innen Verhältnis natürlich generell wesentlich professioneller ist.“

Grundsätzlich ist der Beruf der Pädagog_innen (sie sind im Irak Staatsbedienstete) ein gesellschaftlich durchaus angesehener und geachteter. Der Irak hat eine große Bildungskultur; leider hat man in Österreich von den tatsächlichen Lebensumständen in diesem Land ein nur unvollständiges und einseitig von negativen Nachrichten geprägtes Bild.

Das organisatorisch hochentwickelte und durchstrukturierte Bildungssystem im Irak ist zentralisiert, wobei alle Bildungseinrichtungen grundsätzlich dem Bildungsministerium in Bagdad unterstehen.

Trotz dieser zentralstaatlichen Organisation gibt es zwischen der Autonomen Region Kurdistan und dem Rest des Landes, und auch innerhalb der kurdischen Provinzen, Unterschiede im Lehrplan.

Alle Ausbildungsstufen, von der Volksschule bis zur Hochschule, sind kostenlos; es besteht Schulpflicht. Der irakische Staat gibt vor, dass der Islam die einzige offizielle Religion ist und daher als einzige in den öffentlichen Schulen vom ersten bis zum letzten Schuljahr unterrichtet werden muss.

Auf die Frage, worin die signifikantesten Unterschiede zwischen dem irakischen und österreichischen Schulsystem liegen, weist Katherine Ranharter auf die Bedeutung der Benotung im Hinblick auf bestimmte Studienrichtungen hin: „Es genügt nicht nur ein guter Notendurchschnitt, sondern es wird wirklich sehr, sehr strikt gehandhabt.“ Außerdem stellt sie eine „alte Methodik des Lehrens“ fest: Frontalunterricht und ein absoluter Fokus auf Prüfungen, Abschreiben und Auswendiglernen. Koedukation gibt es nur in den Volksschulen; Schuluniformen gibt es nur für Mädchen.

Salman sieht außerdem relevante Unterschiede in den wesentlich größeren Klassen im Irak, „außerdem gibt es dort wenige oder keine Ausflüge, kaum Sachunterricht, kein Sport-, Kultur- oder Musikangebot.“ Aufgrund der vielen Schüler_innen je Schule müssen diese zum Teil in zwei Schichten (vormittags und nachmittags) unterrichtet werden, jede Unterrichtseinheit dauert 45 Minuten, die Abschlussprüfungen werden in Form einer Zentralmatura abgewickelt. Hinzu kommen jetzt natürlich besondere Abläufe, Reduktionen und Beeinträchtigungen des Unterrichtes infolge der aktuellen Corona-Situation; Rahmenbedingungen und Abläufe bei Privatschulen sind natürlich stärker an internationalen Vorbildern orientiert (Katherine Ranharter), zusätzliche Privatlehrer_innen sind fast generell die Regel.

Im Rahmen der anschließenden Diskussionsrunde wurden spezielle Detailfragen des Benotungssystems, der Nachhilfe, des Unterrichts für Kinder mit besonderen Bedürfnissen (hier gibt es beispielsweise keine spezielle Ausbildung für die Pädagog_innen), des Ablaufs im Fall von Nachprüfungen, von Klassenwiederholungen oder die Möglichkeit vorzeitigen Aufsteigens in die nächsthöhere Klasse aufgezeigt. Ebenso waren der im Vergleich zu Österreich im Irak minimale Eltern/Lehrer_innen Dialog und die Ausbildung der Pädagog_innen ein Thema.

Was sich Katherine Ranharter und Salman Al-Dulaimi von Eltern mit irakischen Wurzeln in Österreich wünschen?

„Es wäre schön, wenn die Eltern mehr über die schulische Entwicklung ihrer Kinder wüssten; die Beherrschung der deutschen Sprache ist dafür eine wesentliche Voraussetzung.“ (Salman Al-Dulaimi)

„Der Irak hat eine große Bildungskultur; leider hat man in Österreich von den tatsächlichen Lebensumständen in diesem Land ein nur unvollständiges und einseitig von negativen Nachrichten geprägtes Bild.“ (Katherine Ranharter)