„Viele Personen leben bereits jahrelang in Österreich, ohne wahlberechtigt zu sein. Das schließt viele Personen von der Demokratie aus und ihre Stimmen bleiben unsichtbar.“

AWissensturmm 02. Juli berichtete unser crosstalk-Botschafter Sabri Opak bei der Podiumsdiskussion „Wer ist das Volk?“ im Linzer Wissensturm über den Prozess zur Erlangung der Staatsbürgerschaft und den Zugang zur Demokratie in Österreich.

Sabri berichtete aus seiner persönlichen Perspektive über den Prozess der Staatsbürgerschaft und ging ebenso auf die Fragen der Teilnehmer_innen ein. Wozu braucht man die Staatsbürgerschaft? Welche Motive zur Beantragung gibt es? Wie hoch sind die Kosten? Die Beantragung der Staatsbürgerschaft ist mit einem hohen zeitlichen und bürokratischen Aufwand verbunden, der zudem sehr kostspielig ist: zwischen 2.300 bis 2.500 Euro kostet die Beantragung, zusätzlich fallen Kosten für die A2-Deutschprüfung, den Staatsbürgerschaftstest sowie Fahrten zum Konsulat an. „Es ist nicht zumutbar, als geflüchtete Person mehrmals ins Konsulat gehen zu müssen – der Umgang ist harsch. Sie wissen, dass du geflüchtet bist“ berichtet Sabri und bezieht sich ebenso auf die Berichte von Bekannten aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. Die Länge des Prüfverfahrens ist individuell: „Es kann nur sechs Monate, aber auch zwei Jahre dauern“. Auf die kurioseste Frage des Staatsbürgerschaftstests antwortete Sabri: „Die genauen Daten über die Bürger- und Bauernkriege in Linz.“

Die Podiumsdiskussion ermöglichte unserem Botschafter Sabri und Betroffenen, wie Nicht-Staatsbürger_innen und Ausgegrenzte, selbst zu Wort zu kommen um ihre Sicht darzulegen.

„Wer ist das Volk?“ ist eine Grundfrage in einer Demokratie. Damit wird umgrenzt, wer an Wahlen und Abstimmungen teilhaben darf und wer davon ausgeschlossen ist. Die österreichische Wohnbevölkerung ist auf etwa 8,9 Mio. angewachsen. Die Zahl der Stimmberechtigten bleibt hingegen bei 6,4 Mio. konstant bzw. ist leicht rückläufig: so sind in Wien etwa 30% der Wohnbevölkerung von der demokratischen Teilhabe ausgeschlossen, in Linz etwa 25% und Österreichweit sind es etwa 16%. Dieser hohe Anteil stellt ein erhebliches Demokratiedefizit – denn für die Wahlteilnahme wird eine Staatsbürgerschaft benötigt.

Einen weiteren Beitrag leistet der Keynote Speaker Gerd Valchars (Universität Wien): in seinem Vortrag zeigte er verschiedene Verständnisse von Volk und Volkssouveränität auf. Er berichtete von ermutigenden Erfahrungen mit einem Wohnsitz-Wahlrecht auf Gemeinde-Ebene. Vortragende Judith Kohlenberger (Wirtschaftsuniversität Wien) griff die Ausgangsfrage dieser Konferenz abgewandelt auf: Wer ist Wir? Sie sprach sich in klaren Worten und mit Feingefühl für ein starkes, wagemutiges Wir aus, das Wachstumsschmerzen nicht scheut und das Unterschiede als Chance auf Weiterentwicklung und echte Teilhabe begreift.

'WissensturmAnschließend an die Diskussionen folgte der Ausklang mit einem interkulturellen Musikbeitrag von Acustica, einer Band mit kurdischer Abstammung und sie sorgten für gute Stimmung. Die Konferenz fand in Kooperation mit der VHS Linz und der Initiative „DEM21 – Die oberösterreichische Initiative für mehr Demokratie“ statt. Wir bedanken uns herzlich bei den Besucher_innen und Kooperationspartner_innen für ihr demokratisches und zivilgesellschaftliches Engagement.

Info zur Band Acustica: https://www.facebook.com/Acustica-604148946381815/

Eine weitere Veranstaltung zum Thema Staatsbürgerschaft und Demokratie wird in Form der Pass-Egal-Wahl im September in Linz stattfinden. Hier gibt es einen Einblick in die Wahl aus dem Jahr 2019.